Emil Wiechert erhält Gedenkstein
Göttinger Wissenschaftler gilt als „Vater der Geophysik“
Heute gehört es zum Allgemeinwissen, dass die Erde einen Schalenaufbau in äußeren und inneren Kern, Mantel und Kruste hat. Doch um 1900 war das völliges Neuland. Emil Wiechert (1861-1928), der seit 1898 den weltweit ersten Lehrstuhl für Geophysik in Göttingen inne hatte, leistete Pionierarbeit in der Erforschung des Erdinneren. Im Gedenken an die außerordentlichen Leistungen des „Vaters der Geophysik“, vor allem auf dem Gebiet der seismischen Forschung, weiht der Verein Wiechert’sche Erdbebenwarte Göttingen e.V. am 15. November 2017 einen Gedenkstein nebst Gedenktafel ein. Diese stammt – wie auch die Idee zu dem Projekt – vom Göttinger Geologen und Spieleerfinder Reinhold Wittig.
Die Tafel veranschaulicht schematisch den Verlauf der sich bei Erdbeben ausbreitenden Raumwellen und zeigt, dass sich unser Planet aus innerem und äußerem Kern, Erdmantel und Erdkruste zusammensetzt. Das Wissen um den inneren Aufbau der Erde verschaffte sich Wiechert mit Hilfe der Seismologie. Diese Lehre von Erdbeben und der Ausbreitung seismischer Wellen ist als Teilgebiet der Geophysik die wichtigste Methode, um den inneren Aufbau der Erde zu erforschen.
Der Gedenkstein mit der Tafel befindet sich in Göttingen im oberen Bereich der Herzberger Landstraße neben der „Wiechert-Eiche“, die dort 2007 gepflanzt wurde. „Der Ort liegt nach der geologischen Karte genau auf der Randverwerfung des Leinetalgrabens“, weiß Wittig. „Bei seiner Entstehung in Urzeiten muss es bereits kleinere Erdbeben gegeben haben, so wie wir sie heute noch entlang des Rheingrabens kennen“. Zudem reiht sich der Gedenkstein in den Göttinger Planetenweg ein – ebenfalls eine realisierte Idee von Wittig –, der von der Goetheallee bis zum Hainberg führt.
„Mit dem Gedenkstein und der Gedenktafel findet Emil Wiechert einen sichtbaren öffentlichen Platz und bereichert somit die Göttinger Wissenschaftsgeschichte“, erklärt Wolfgang Brunk, Vorsitzender des Vereins Wiechert’sche Erdbebenwarte. Der Verein erfreut sich mit seinen zahlreichen Führungen durch das Gelände der historischen Erdbebenwarte seit vielen Jahren größter Beliebtheit – weit über die Grenzen der Universitätsstadt hinaus.
„Ferne Kunde bringt Dir der schwankende Fels: Deute die Zeichen!“
(Tafelspruch über dem Eingang des Alten Erdbebenhauses)
Hintergrund
Emil Wiechert (1861-1928) war ein namhafter Physiker, der 1897 nach Göttingen kam. Im Jahr 1898 erhielt er den Ruf auf den weltweit ersten Lehrstuhl für Geophysik. Nach Fertigstellung des neu errichteten Instituts für Geophysik auf dem Hainberg oberhalb von Göttingen begann Wiechert ab 1901 mit dem Aufbau der dort heute noch im Betrieb befindlichen Wiechert’schen Erdbebenwarte. Als Direktor des neuen Instituts war es dann seine starke Neigung zur Seismologie, die das Hauptarbeitsgebiet des Instituts bestimmte und diesem schnell Weltgeltung verschaffte. Mit seiner „Theorie der automatischen Seismographen“ schuf Wiechert die Grundlagen zum Bau und zum Verständnis der Wirkungsweise seiner Seismographen, die noch heute im „Alten Erdbebenhaus“ auf dem Institutsgelände die „ferne Kunde“ (so Wiechert) aufzeichnen. Mit dem auch nach dem Göttinger Mathematiker G. Herglotz benannten „Wiechert-Herglotz-Verfahren“ wurde es möglich, aus den Seismogrammen an der Erdoberfläche den Aufbau des Erdinneren zu erschließen.
Lesen Sie hier den Artikel aus dem Göttinger Tageblatt, vom 16.11.2017.