Ehemaliges Institut für Geophysik
von 1901 bis 2005 hatte die Geophysik auf dem Gelände der Erdbebenwarte ihr Domizil
Historische Erdbebenwarte | Gebäude & Gelände
Ehemaliges Institut für Geophysik
100-jährige Geschichte
Das Institut für Geophysik in Göttingen blickt auf eine über 100-jährige Geschichte zurück. 1898 wurde es als erstes seiner Art gegründet – doch schon vorher gab es geophysikalische Forschungen in Göttingen: So gelangten Carl Friedrich Gauß (1777-1855) in der Leinestadt bahnbrechende Arbeiten auf dem Gebiet des Erdmagnetismus.
Nach der Berufung von Emil Wiechert und der Fertigstellung eines Seismographen wandelte sich das Hauptaugenmerk in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf Seismik und Göttingen avancierte zu einer der Hauptstationen im internationalen Netz für Erdbebenforschung. Von 1901 bis zum Jahr 2005 hatte die Geophysik auf dem Gelände der Wiechert’schen Erdbebenwarte Göttingen ihren Sitz.
Manfred Siebert: Geschichte des Instituts für Geophysik in Göttingen
Eine ausführliche Zusammenfassung über die Institutsgeschichte hat Prof. Dr. Manfred Siebert verfasst.
Für die Geophysik gilt, was auch auf andere Fächer zutrifft, die erst spät selbständig geworden sind: Es gab sie sachlich, lange bevor es sie fachlich gab. So war es auch in Göttingen, wo schon bald nach der im Jahre 1737 erfolgten Gründung der Universität unter den Themen der naturwissenschaftlichen Forschung auch solche waren, die heute der Geophysik zugerechnet werden. Dahin gehören die luftelektrischen Untersuchungen von Georg Christoph Lichtenberg und die erdmagnetischen Arbeiten des Astronomen Tobias Mayer, den man kaum erwähnen kann, ohne hinzuzufügen, dass Gauß ihn als „Mayer immortalis“ bezeichnet hat.
Vielleicht hat schon dieser bedeutendste Vorgänger von Carl Friedrich Gauß im Amte des Direktors der Sternwarte noch vor Alexander von Humboldt dazu beigetragen, dass das offenbar schon früh vorhandene Interesse von Gauß schließlich zu einer derart grundlegenden wissenschaftlichen Behandlung des Erdmagnetismus geführt hat. Auf jeden Fall beginnt die kontinuierliche Geschichte der Geophysik in Göttingen damit, dass Gauß, 55-jährig, sich 1832 erdmagnetischen Problemen zuwendet. Sein Verfahren zur absoluten Bestimmung der Stärke eines Magnetfeldes und seine „Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus“ sind nur die herausragenden Ergebnisse einer viel breiteren und sehr intensiven Beschäftigung mit diesem Gebiet. Für unser Thema ist aber noch bedeutsamer, dass durch die magnetischen Messungen und Beobachtungen, an denen ganz wesentlich Wilhelm Weber beteiligt war, der Wunsch nach einem dafür „schicklichen Lokal“ aufkommt, wie Gauß es nennt, also nach einem erdmagnetischen Observatorium. Es wird schon 1833 gebaut, und „alles, wozu sonst Eisen verwandt wird, ist von Kupfer“, wie Gauß betont. Aus ihm sollte 65 Jahre später das Göttinger Institut für Geophysik hervorgehen. Zunächst aber war das Observatorium von 1836 bis 1841 der Mittelpunkt des „Göttinger Magnetischen Vereins“, zu dem sich insgesamt 53 Observatorien, davon 18 außereuropäische, zusammengefunden hatten, um an verabredeten Tagen alle 5 min nach Göttinger Zeit die Ausschläge ihrer Magnetometer abzulesen. Die Ergebnisse dieser ersten großen internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Geophysik wurden von Gauß und Weber zusammen mit eigenen Abhandlungen und denen anderer Autoren als „Resultate aus den Beobachtungen des Magnetischen Vereins“ veröffentlicht.
Emil Wiechert kommt ins Spiel
Der Existenz des Observatoriums und Webers Interesse an magnetischen Messungen ist es zu verdanken, dass der Erdmagnetismus auch nach Gauß‘ Tod 1855 ein Arbeitsgebiet der Göttinger Sternwarte blieb.
Bei der Aufteilung der Sternwarte 1867 kam der Erdmagnetismus zusammen mit der theoretischen Astronomie, der Geodäsie und der mathematischen Physik zur Abteilung B, der Ernst Schering vorstand. Schering förderte die erdmagnetischen Untersuchungen durch eigene instrumentelle Entwicklungen; unter seiner Leitung beteiligte sich das Observatorium am Programm des Ersten Internationalen Polarjahres 1882/83.
Betrachtet man diese mehr als ein halbes Jahrhundert dauernde erste Phase der Geophysik in Göttingen, so fällt die von Anfang an enge Verknüpfung mit Physik und Mathematik auf, die auch in der nachfolgenden Zeit erhalten geblieben ist.
Bald nach dem Tode Scherings 1897 wurde die erdmagnetische Abteilung von der Sternwarte abgetrennt, zunächst mit dem Ziel, das von Gauß und Weber gegründete Observatorium zu einem Erdmagnetischen Institut zu erweitern. Zu seinem Direktor wurde im Februar 1898 Emil Wiechert ernannt, nachdem er am 28. Januar 1898 die neugeschaffene, zunächst außerordentliche, ab 1905 ordentliche Professur für Geophysik erhalten hatte. Noch 1898 genehmigte die Königlich Preussische Regierung durch eine Verfügung vom 2. Juli die weitergehende Bezeichnung „Institut für Geophysik“. Eine ausführliche Beschreibung des neuen Instituts und seiner Vorgeschichte gibt Wiechert selbst (1906).
Am Rande sei vermerkt, dass Felix Klein, der in jener Zeit so grundlegend die Entwicklung der Mathematik und Physik in Göttingen gefördert hat, auch an dem Ausbau der Geophysik nicht unbeteiligt war. Äußerer Ausdruck dieses Ausbaues war die Bereitstellung eines 17 300 m² großen Gebiets auf dem Hainberg als Institutsgelände, auf dem 1899 mit der Errichtung einer Reihe von Gebäuden und Messhütten begonnen wurde.
Weltgeltung durch Wechsel vom Erdmagnetismus zur Seismik
Das Hauptgebäude konnte 1901 bezogen werden; 1902 wurde auch Gauß‘ „Schickliches Lokal“ vom Garten der Sternwarte zu seinem jetzigen Standort auf dem Institutsgelände gebracht, wo es als Gaußhaus noch heute in Benutzung ist. Damals genügend weit vom bebauten Stadtgebiet entfernt, liegt das Institut heute unmittelbar am Stadtrand.
Emil Wiechert (1861-1928) hatte sich bereits durch grundlegende Arbeiten über elastische Nachwirkung, Kathodenstrahlen und zur Elektrodynamik, die er in Königsberg begonnen hatte und zunächst noch in Göttingen fortsetzte, einen namhaften Ruf als Physiker erworben, bevor dann durch seine Berufung die Geophysik sein eigentliches Arbeitsgebiet wurde. Allerdings hatte er sich auch schon in Königsberg mit der Massenverteilung im Erdinneren und der Frage nach der Existenz eines Erdkerns beschäftigt. Obwohl Wiechert bemüht war, Geophysik in grösstmöglicher Breite zu betreiben, war dies an einem Institut, das mit drei Planstellen (Direktor, Assistent, Hauswart) beginnen musste, nicht zu verwirklichen. Noch in der Bauphase bildete sich die Seismik als Hauptarbeitsgebiet heraus. Diese Tendenz wurde verstärkt, als nach der Fertigstellung des Erdbebenhauses 1902 und der sich anschließenden Aufstellung der Seismographen, deren Entwicklung zum Teil schon in der Sternwarte begonnen hatte, Göttingen im Jahre 1905 auch eine der Hauptstationen im internationalen Netz für Erdbebenforschung wurde. Damit war die spezifische Arbeitsrichtung des Instituts für fast ein halbes Jahrhundert festgelegt.
Dieser Wechsel vom Erdmagnetismus zur Seismik sollte dem neuen Institut schnell Weltgeltung verschaffen. Wiechert gelang die Konstruktion automatisch registrierender Seismographen, deren Wirkungsweise theoretisch durchschaubar war. Mit ihnen wurden erstmalig Seismogramme gewonnen, die einwandfreie Rückschlüsse auf die Bewegungen des Erdbodens zuließen und in denen nicht zuletzt dank einer neuartigen Luftdämpfung die unterschiedlichen Erdbebenwellen identifiziert und analysiert werden konnten.
Bereits das grosse San-Francisco-Beben vom 18. April 1906 konnte aufgezeichnet werden und steht gleichsam am Anfang einer nun etwa 90-jährigen, fast ununterbrochenen Erdbebenregistrierung mit den Wiechert-Seismographen. Auch an der Lösung der theoretischen Aufgabe, aus den Laufzeiten der Wellen vom Erdbebenherd zu den Stationen ihren Weg durch das Erdinnere und die dabei auftretenden Fortpflanzungsgeschwindigkeiten zu bestimmen, hat Wiechert mit seinen Mitarbeitern entscheidenden Anteil. Die prinzipielle Lösung dieses sogenannten Inversionsproblems stammt von dem damals in Göttingen lebenden Mathematiker Gustav Herglotz aus dem Jahre 1907 (unabhängig davon auch von Harry Bateman 1910), nachdem er erkannt hatte, dass sich das Problem auf eine Abelsche Integralgleichung zurückführen lässt. Aufbauend auf der Arbeit von Herglotz legte Wiechert 1910 ein für die Anwendung geeignetes Verfahren vor, die Geschwindigkeiten der seismischen Wellen in Abhängigkeit von der Tiefe aus Beobachtungen an der Erdoberfläche zu berechnen. Damit waren die Voraussetzungen für eine detaillierte seismische Erforschung des Erdinneren gegeben.
Mit „Sprengseismik“ Rohstofflager entdecken
Begünstigt wurde dieses Unternehmen durch die 1902 erfolgte Gründung eines Geophysikalischen Observatoriums in Apia auf Upolu, einer der Samoainseln, die zum früheren deutschen Schutzgebiet gehörte. Durch diese von dem Göttinger Geographen Hermann Wagner angeregte und mit Tatkraft geförderte Unternehmung besaß das Institut für Geophysik bis über den Ersten Weltkrieg hinaus eine Außenstelle, die mit gleichen Instrumenten ausgerüstet, bis auf etwa 40° Unterschied in der geographischen Breite, seinem Antipodenpunkt nahe kam.
Näheres zur Geschichte des Samoa-Observatoriums findet sich bei Angenheister (1974).
Auf die vielen Einzelergebnisse, die sich nun einstellten und die zu neuen, grundlegenden Einsichten in den Aufbau des Erdkörpers führten, kann hier ebenso wenig eingegangen werden, wie auf die einzelnen Mitarbeiter Wiecherts, die an diesen Ergebnissen einen so beträchtlichen Anteil haben, dass in diesem Zusammenhang von einer Göttinger Schule gesprochen wird. Nur zwei von ihnen seien noch genannt: Beno Gutenberg bestimmte 1913 erstmalig den korrekten Wert von 2 900 km Tiefe für die Grenze zwischen Erdkern und Erdmantel, nachdem die Existenz dieser Grenzfläche und damit auch die Existenz des Erdkerns bereits bei vorhergehenden Auswertungen von Seismogrammen nachgewiesen worden war. Ludger Mintrop begründete 1908 die Methode der seismischen Erkundung der obersten Erdschichten mit Hilfe künstlicher Erdbeben und transportabler Seismographen. Das 14 m hohe Gerüst und die 4 t schwere Eisenkugel, durch deren Herabfallen die Bodenerschütterungen hervorgerufen wurden, befinden sich noch heute auf dem Institutsgelände. Eine detaillierte Darstellung gibt Meyer (1974).
Schon bald ging man zur Sprengseismik über, zunächst nur mit dem Ziel, die geologische Oberflächenkartierung in die Tiefe fortzusetzen (Schulze 1974). Heute hat dieses mit enormem technischen Aufwand weiterentwickelte Verfahren zur Auffindung von Lagerstätten die bekannte wirtschaftliche, mitunter sogar weltpolitische Bedeutung gewonnen.
Nach der Seismik war die Luftelektrizität und mit ihr die Meteorologie das zweitwichtigste Arbeitsgebiet, was auch auf das Samoa-Observatorium zutrifft, an dem darüber hinaus auch erdmagnetische Messungen und Registrierungen vorgenommen wurden. Eine ebenso reizvolle wie fruchtbare Verknüpfung seismischer und atmosphärischer Probleme, früher auch als Luftseismik bezeichnet, stellt die 1923 einsetzende systematische Untersuchung der anomalen Schallausbreitung dar, begünstigt durch die Sprengung von Munitionsdepots nach dem Ersten Weltkrieg. Die Anwendung des Wiechert-Herglotz-Verfahrens auf die Laufzeiten solcher Schallwellen, die ihren Weg von der Quelle zu den Beobachtungsstationen durch die Stratosphäre genommen haben, führte zum Nachweis einer warmen Luftschicht, in der die Temperatur etwa auf Werte wie am Erdboden ansteigt und für deren mittlere Höhe man damals einen um 10 km zu niedrigen Wert von 40 km fand.
Erfolge dieser Art beruhen fast immer darauf, dass es gelingt, neue Gebiete der Forschung mit neuen Methoden zugänglich zu machen. Als Wiechert 1928 starb, waren auf seinem Arbeitsgebiet viele ‚Effekte erster Ordnung‘ gefunden und im wesentlichen verstanden worden. Eine ausführliche Würdigung findet sich im Nachruf von Angenheister (1927/28). Die Fülle der Detailfragen, die dabei mitentstanden, liefert noch heute Themen für Untersuchungen.
Die Ära Bartels
Ihnen widmete sich das Institut auch unter Wiecherts Nachfolger Gustav Angenheister (1878-1945). Er war Schüler und Assistent von Wiechert und von 1911 bis 1921 letzter Leiter des Samoa-Observatoriums, ab 1914 als Direktor. Als Schwerpunkte der Arbeit in den nun folgenden 30er Jahren sind vor allem zu nennen: das Studium der seismischen Oberflächenwellen, die seismische Untersuchung des Untergrunds zu bergbaulichen und bautechnischen Zwecken, die Teilnahme an der geophysikalischen Reichsaufnahme und der Ausbau der meteorologischen Forschung in Zusammenarbeit mit dem Göttinger Kaiser-Wilhelm-Institut für Strömungsforschung. Eine schon geplante räumliche Erweiterung des Instituts ist zusammen mit anderen Vorhaben infolge des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs unterblieben, wie die Kriegszeit generell die Tätigkeiten am Institut beeinflusst und beeinträchtigt hat.
So traf der Tod Angenheisters kurz nach Kriegsende 1945 das Institut in einer ohnehin angespannten Situation. Da muss es als ein glücklicher Umstand angesehen werden, dass, bedingt durch die Wirren des Kriegsendes, Julius Bartels (1899-1964), zu dieser Zeit ohne Anstellung, als Nachfolger Angenheisters gewonnen werden und die Nachfolge sofort antreten konnte.
Bartels wurde 1946 zum ausserordentlichen und 1950 zum ordentlichen Professor für Geophysik ernannt, nachdem er bereits zuvor ordentlicher Professor an der Forstlichen Hochschule in Eberswalde und an der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin sowie Direktor des Geophysikalischen Instituts in Potsdam gewesen war. Bei der Rückkehr 1945 an seinen Studienort Göttingen war Bartels bereits ein international höchst renommierter Wissenschaftler, nicht zuletzt durch das gemeinsam mit Sydney Chapman verfasste und 1940 erschienene Standardwerk „Geomagnetism“. Sein Hauptinteresse galt der Anwendung der Mathematik auf geophysikalische Fragestellungen, insbesondere der Anwendung der Statistik auf meteorologische und erdmagnetische Beobachtungsreihen mit originellen Beiträgen zur statistischen Methodik. Diese wenigen, aber notwendigen Angaben zur Person genügen, um deutlich zu machen, dass mit der Übernahme der Leitung des Instituts durch Julius Bartels für die Schwerpunkte der Institutsarbeit und der Forschung ein Themenwechsel angesagt war. Das zentrale Thema wurde wieder der Erdmagnetismus.
Zunächst aber galt ein erster Großeinsatz des Instituts noch einer Aufgabe, für die es aus seiner Vergangenheit gut vorbereitet war, nämlich der Sprengseismik, und hier speziell der Registrierung der grossen Helgoland-Sprengung vom 18. April 1947. Die Auswertung der Registrierungen von 24 transportablen Seismographen und der Seismogramme mehrerer Erdbebenstationen ermöglichte erstmalig den Anschluss der Aussagen der Sprengseismik an die der Erdbebenseismik (Schulze 1974). Mit Beginn der 50er Jahre herrschten dann aber die neuen Arbeitsgebiete vor: Gesteinsmagnetismus, Geoelektrik, erdmagnetische Tiefensondierung, atmosphärische und ionosphärische Gezeiten im Zusammenhang mit den ruhigen erdmagnetischen Variationen Sq und L. Die Registrierung der Variationen und Pulsationen des erdmagnetischen Feldes wurde aufgenommen, ab 1957 in einem neuen Haus auf dem Institutsgelände; und im Rahmen des International Service of Geomagnetic Indices begann 1951 der Göttinger Erdmagnetische Kennzifferndienst, über den noch zu sprechen sein wird. Gelegentliche Untersuchungen aus weiteren Gebieten trugen zur Themenvielfalt bei.
Das Internationale Geophysikalische Jahr 1957/58
Thematisch ergab sich eine Zusammenarbeit vor allem mit dem Max-Planck-Institut für Ionosphärenphysik in Lindau am Harz, dem Deutschen Hydrographischen Institut in Hamburg und dem Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung in Hannover. Als zentrales Forschungsobjekt erwies sich immer stärker die Norddeutsche Leitfähigkeitsanomalie mit ihren spezifischen Aufgaben für Feldmessungen im Rahmen der erdmagnetischen Tiefensondierung und später auch der Magnetotellurik sowie für Modellrechnungen auf der Grundlage der elektromagnetischen Induktion. Die Beschäftigung mit den zwischen Geophysik und Meteorologie angesiedelten atmosphärischen Gezeiten führte zur Widerlegung der mehr als ein halbes Jahrhundert akzeptierten Erklärung durch die sogenannte Resonanztheorie und zu einer neuen Vorstellung über die thermische Anregung dieser Erscheinung.
In diese Zeit fällt als das herausragende Ereignis das Internationale Geophysikalische Jahr 1957/58, das sich durch seine Vorbereitungen schon Jahre zuvor angekündigt hatte. Das Göttinger Institut hatte besonders aus zwei Gründen Nutzen aus diesem Unternehmen. Zum einen hatten die neuen Arbeitsgebiete direkte Beziehungen zu den verabredeten Forschungsprogrammen; zum anderen war Bartels einer der Initiatoren dieses Vorhabens und Vorsitzender des entsprechenden deutschen Landesausschusses. Außerdem war er 1956 – zusätzlich zur Leitung des Göttinger Instituts – auch zum Direktor des nach Lindau verlegten Max-Planck-Instituts für Stratosphärenphysik berufen worden, was sich alles in allem für die Arbeitsbedingungen am Institut für Geophysik sehr vorteilhaft auswirkte.
Schließlich gehört in diese Zeit, dass durch die Entdeckung der Magnetosphäre jenseits der Ionosphäre und des ständig von der Sonne abströmenden solaren Windes – beides zunächst noch auf indirektem Wege – für das Verständnis erdmagnetischer Störungen geradezu ein neues Zeitalter begann, nimmt man noch die Möglichkeit direkter extraterrestrischer Messungen hinzu, die sich 1957 mit dem Start des ersten Satelliten Sputnik I eröffnete. Unter diesen Bedingungen und durch die Fortsetzung der internationalen Gemeinschaftsunternehmen war auch ein wesentlicher Teil der Arbeiten am Institut vorgezeichnet. So hatte Bartels wieder maßgeblichen Einfluss auf die Vorbereitung der Internationalen Jahre der ruhigen Sonne 1964/65, an deren Ergebnissen teilzuhaben ihm durch seinen ganz und gar unerwarteten Tod am 6. März 1964 versagt blieb. Mit ihm verlor die Geophysik in Deutschland eine ihrer hervorragendsten und international angesehendsten Persönlichkeiten, wie in allen Nachrufen betont wird (Chapman 1964, Dieminger 1964, Kertz 1964).
Die so entstandene, neue Situation blieb nicht ohne nachhaltige Auswirkungen auf das Institut und auf den Verfasser dieses Beitrags. Als dienstältester und zunächst noch nichthabilitierter Assistent wurde ich mit der Leitung des Instituts beauftragt, an dem etwa 20 Doktoranden, Diplomanden und Staatsexamenskandidaten sich bei äusserstem Platzmangel um den Abschluss ihrer Arbeiten sorgten und niemand ahnte, dass die Vakanz diesmal viereinhalb Jahre dauern sollte. In dem Bestreben der Fakultät, einen Bartels-Schüler als Nachfolger zu gewinnen, erging zunächst der Ruf an Walter Kertz in Braunschweig und danach an Gustav Angenheister in München.